Freitag, 8. Juli 2011

Yes we can win in Afghanistan

Der US-Kolumnist Eric Margolis zieht eine düstere Zwischenbilanz des Afghanistan-Krieges und rechnet fest mit einer Niederlage, die mit der in Vietnam zu vergleichen ist.
Sein erhebendes Gedicht "Recessional" (Vergänglich) hat Rudyard Kipling (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Rudyard_Kipling ) zwar dem untergehenden britischen Empire gewidmet, aber seine Verse sind heute noch genau so aktuell und gültig wie vor einem Jahrhundert:
Far-called our navies melt away -
(Auf fernen Meeren sinken unsere Flotten.
On dune and headland sinks the fire -
Auf Dünen und Kaps gehen die Leuchtfeuer aus.
Lo, all our pomp of yesterday
Seht, wie unsere ganze Pracht entschwindet,
Is one with Nineveh and Tyre!
wie sie einst in Ninive und Tyros entschwand.)

Mit einem Krieg sollen politische Ziele erreicht und nicht nur Feinde getötet werden. Trotz zehnjähriger planloser Verwüstung und riesiger Kriegskosten haben die USA in Af ghanistan politisch nichts erreicht.
In dieser Hinsicht haben die USA den Krieg in Afghanistan - ihren bisher längsten - be reits verloren. Militärisch haben sie nur ein Patt erreicht, weil sie die wichtige militärische Initiative längst verloren haben, und was die Strategie angeht, in die Defensive gedrängt wurden. Das haben wir vorher schon einmal erlebt - in Vietnam.
Wieder einmal ist Afghanistan seinem Ruf, der "Friedhof der Imperien" zu sein, gerecht geworden. Es ist den USA nicht gelungen, ein Marionetten-Regime in Kabul zu installieren, das Af -
ghanistan kontrollieren könnte. Sie haben sich die Mehrheit der Bevölkerung des Landes,
die Paschtunen, zu erbitterten Feinden gemacht und im Lauf dieses Krieges auch Pakis -
tan weitgehend destabilisiert. Die Behauptung, die US-Streitkräfte seien nur nach Afgha -
nistan gekommen, um den mittlerweile toten Osama bin Laden zu jagen, wurde schon im -
mer bezweifelt.
Am letzten Mittwoch sah sich Präsident Barack Obama angesichts des wachsenden öf fentlichen Druckes, der herannahenden Wahlen, der militärischen Realitäten und der fi nanziellen Probleme zu der Ankündigung gezwungen, bis zum Ende des Sommers 2012 ein Drittel der 100.000 US-Soldaten aus Afghanistan abziehen zu wollen. Die Lamettaträ ger im Pentagon erhoben sofort Einspruch dagegen. Obama hätte sie umgehend zur Ord nung rufen müssen, tat das aber nicht und erhärtete damit den Eindruck, dass er schwach ist und sich doch wieder von den Generälen einschüchtern lässt.
Auch die US-Verbündeten Frankreich und Deutschland kündigten an, mit dem Abzug ihrer Truppen beginnen zu wollen. Bis Ende 2014 sollen alle ausländischen Truppen Afghanis tan verlassen haben.
Dieser schrittweise Abzug wird das US-Truppenkontingent etwa auf die Größe reduzieren, die es hatte, bevor Obama 30.000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan entsandte. Die dann noch verbleibenden Soldaten können allenfalls noch die wichtigsten Städte und die sie verbindenden Straßen halten; sie reichen aber nicht mehr zur offensiven Bekämpfung der Taliban und zur Blockierung der Grenze mit Pakistan aus.
Washington gibt gegenwärtig monatlich mindestens 10 Milliarden Dollar für den Afghani stan-Krieg aus, wobei die "schwarzen Gelder" für Operationen der CIA und der NSA (ei nes US-Abhörgeheimdienstes, s. http://de.wikipedia.org/wiki/National_Security_Agency ) noch nicht berücksichtigt sind. Die USA haben seit 2001 rund 18,8 Milliarden Dollar Ent wicklungshilfe an Afghanistan bezahlt, die keine sichtbare Wirkung hinterlassen haben. Pakistan hat für seine im Afghanistan-Krieg geleistete Unterstützung 20 Milliarden Dollar bekommen. Jeder US-Soldat in Afghanistan kostet pro Jahr eine Million Dollar, wobei noch nicht einmal alle Begleit- und Folgekosten eingerechnet sind.
Diese riesigen Kosten sind nicht durch Steuern zu decken; sie machen den ohnehin schon gigantischen Schuldenberg der USA nur immer höher.
Das US-Defizit liegt bereits bei über 1,4 Billionen Dollar. Unter Berücksichtigung der Ren -
tenansprüche und sonstiger Zahlungsverpflichtungen schätzt der Chef der Kapitalanlage -
gesellschaft PIMCO, die sich auf Anleihen und Renten spezialisiert hat (s. http://de.wikipe-
dia.org/wiki/PIMCO), die Staatsverschuldung der USA auf insgesamt 100 Billionen Dollar.
Das bedeutet, den USA droht wegen ihres nicht mehr abzubauenden Schuldenbergs der
Staatsbankrott.
Bereits 44 Millionen US-Amerikaner erhalten Lebensmittelgutscheine; Straßen, Flughäfen, Brücken, Schulen und die sonstige US-Infrastruktur verrotten, weil kein Geld für ihre Erhal tung mehr vorhanden ist. Die Arbeitslosigkeit, die offiziell mit 9.5 Prozent angegeben wird, liegt wahrscheinlich eher nahe 20 Prozent.
Es wird bereits der Ruf laut: "Lasst uns die USA und nicht Afghanistan wieder aufbauen!"
Trotz der intensiven Pro-Kriegs-Propaganda lehnen jetzt mehr als die Hälfte der US-Ame rikaner den Afghanistan-Krieg ab. Sogar der als US-Marionette installierte afghanische Präsident Hamid Karzai nennt den Krieg "ineffektiv" und beklagt die vielen zivilen Opfer.
Werden die USA tatsächlich aus Afghanistan abziehen? Das bleibt abzuwarten. Es gibt viele Anzeichen, die dagegen sprechen.
Auf mittlerer Ebene laufen seit mehr als einem Jahr Gespräche zwischen Vertretern der
USA und der Taliban. Washingtons hat versucht, die Taliban durch solche Gespräche zu
spalten.
General David Petraeus, der US-Oberkommandierende in Afghanistan, wollte den Wider stand in Afghanistan auf die gleiche Weise wie im Irak brechen, wo er sunnitische Stämme durch Bestechung dazu brachte, den Kampf einzustellen. Dieser Schachzug hat aber bei den hartgesottenen Taliban-Kämpfern, die sich ihre Ehre nicht mit Geld abkaufen lassen, nicht funktioniert.
Die USA werden wahrscheinlich auch nach 2014 noch eine beträchtliche Anzahl ihrer 66.000 weiter in Afghanistan verbleibenden Soldaten dort belassen und sie einfach zu Ausbildern der afghanischen Armee deklarieren. Die riesigen US-Basen in Kandahar und Bagram sollen sicher als dauerhafte, befestigte US-Enklaven erhalten bleiben.
Auch weiterhin werden Milliarden Dollars für den Aufbau der Armee und der Polizei Afgha nistans notwendig sein. Beide haben sich bis jetzt als unwirksam erwiesen, weil sie über wiegend aus tadschikischen und usbekischen Söldnern bestehen, denen die Paschtunen mit Misstrauen und Hass begegnen.
Ein ähnlicher Prozess vollzieht sich gerade im Irak, wo der "Abzug" der Kampfbrigaden dadurch vollzogen wird, dass man sie in "Trainings-" und "Terrorbekämpfungseinheiten," umbenennt und Tausende von Söldnern und Soldaten mobiler US-Kampfverbände im be nachbarten Kuwait und am Golf stationiert.
Die neuen US-Botschaften in Bagdad und Kabul - riesige, befestigte Komplexe, die beide über eine eigene Söldnertruppe verfügen sollen - werden die größten der Welt sein. In der US-Botschaft in Kabul werden 1.000 Personen arbeiten. Bin Laden hat diese Botschaften "Kreuzfahrer-Burgen" genannt. In anderen Landesteilen Afghanistans sind bereits befes tigte Konsulate im Bau.
Außerdem werden die USA in Afghanistan auch künftig tadschikische und usbekische Mili -
zen finanzieren und bewaffnen, und die CIA wird sich eine Söldnertruppe halten. Zur Be -
stechung der Regime in Pakistan, Usbekistan, Kirgisistan und Tadschikistan werden die
USA auch weiterhin jährlich etwa drei Milliarden Dollar aufzuwenden haben. Welche politi -
schen Zugeständnisse die USA Moskau machen müssen, damit sie auch in Zukunft ihren
militärischen Nachschub über russisches Territorium abwickeln dürfen, wird wohl ein Ge -
heimnis bleiben.
Die USA scheinen sowohl gehen als auch bleiben zu wollen. Im Gegensatz dazu ist die Position der Taliban ganz klar und einfach: Sie werden so lange weiterkämpfen, bis alle ausländischen Truppen abgezogen sind. US-Spezialtruppen, Drohnen und Killer-Kom mandos ist es nicht gelungen, so viele Taliban-Kommandeure zu ermorden, dass die Mud schaheddin den Kampf einstellen müssen.
US-Amerikaner kümmern sich nicht um Geschichte, noch nicht einmal um ihre eigene. Wir wollen uns nicht daran erinnern, dass der große Benjamin Franklin, einer unserer Grün derväter, einst gesagt hat: "Es gibt es keinen guten Krieg und keinen schlechten Frieden." Wir wollen auch nicht begreifen, dass die paschtunischen Taliban und ihre Verbündeten hervorragende Kämpfer sind, die noch niemals besiegt wurden, denn sie kämpfen in ihrem eigenen Land und haben alle Zeit der Welt.
Ich habe gegen Paschtunen gekämpft und bewundere ihren Mut und ihre Ausdauer im Kampf. Die paschtunischen Mudschaheddin werden bis zur letzten Patrone kämpfen.
Den USA ist es mit all ihren schweren B1-Bombern, Raketen, Kampfhubschraubern, Droh nen, Panzern, elektronischen Aufklärungsmitteln, Spionen am Himmel und allen anderen Hightech-Waffen des modernen Krieges nicht gelungen, etwa 30.000 Stammeskrieger zu besiegen, die nur über leichte Waffen und ihren legendären Mut verfügen.
Die USA haben den politischen Krieg um Afghanistan verloren. Ihre Soldaten können noch eine Weile dort herumlungern, sie können aber niemals gewinnen.
(Wir haben den Artikel komplett übersetzt und mit Ergänzungen und Links in Klammern versehen. Eric S. Margolis ist ein mit vielen Preisen ausgezeichneter, international aner kannter Kolumnist. Seine Artikel erscheinen in der New York Times, der International He rold Tribune, der Los Angeles Times, der Times of London, der Gulf Times, der Khaleej Ti mes und anderen Nachrichtenblättern in Asien. Seine Website ist aufzurufen unter www.e-ricmargolis.com .)
http://www.informationclearinghouse.info/article28461.htm
http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_11/LP10511_080711.pdf

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